Einstweilen dürfen wir davon ausgehen, dass in den nächsten Jahrzehnten, vielleicht gar Jahrhunderten, mit wachsenden Flutmarken zu rechnen ist. Der Anstieg geschieht in langsamen Schritten, aber Deichachten und Behörden sind auf der Hut. Es ist in den vergangenen gut 50 Jahren eine ungeheure Arbeit von den Deichachten und anderen verantwortlichen Stellen an der Nordseeküste geleistet worden, sowohl von den Planungsgruppen als auch von den ausführenden Firmen mit ihren Facharbeitern. Wir schließen auch die obersten Behörden mit ein, deren Politiker und höchste Beamte den Mut hatten, für Küstenschutz-Projekte Milliardenbeträge zu fordern und gegen Begehrlichkeiten anderer Ministerien zu verteidigen.
Wir befinden uns jetzt in einer Phase relativer Sicherheit, viele Deiche haben ihre errechneten Höhen und Profile. Dennoch können wir uns nicht behaglich zurücklehnen in dem Gefühl, die Arbeit sei getan. Es gibt keine Ruhe in der Verteidigung des Landes gegen steigende Meeresfluten, und die Planungen schreiten fort.
„Nur die Erforschung und die Beobachtung der Natur und ihrer Bedrohung und die Wachsamkeit am Deich bewahren in Zukunft die Sicherheit des Küstenraumes hinter den Deichen, dass die Menschen hier ohne Sorge leben können.“ So formulierte es Gustav Bokelmann 1988 bei der Fertigstellung der Hochwasserschutzanlagen in Ditzum.
Es stellt sich wohl die Frage, warum man zur Sicherheit die Deiche nicht sofort einen Meter höher baut, als die elektronischen Rechner vorschlagen. Die Antwort ist einfach. Die Kosten würden so immens erhöht, dass sie auch für eine große Gemeinschaft nicht mehr tragbar sind. Es ist eine Balance zu finden zwischen den volkswirtschaftlich machbaren und den technisch möglichen Zielen. Wir können jetzt nicht die Probleme des Jahres 3000 lösen. Darf man leistungsfähigen Computern glauben, müssen wir 50 m hohe Deiche bauen, wenn das gesamte polare Eis tatsächlich schmelzen sollte. „Wird gemacht!“ sagen tollkühne Ingenieure. Wir werden es nicht erleben.
Noch weniger werden wir dabei sein, wenn in 80 Millionen Jahren die norddeutsche Welt wiederum völlig anders aussieht. Ein norwegisch-australisches Wissenschaftlerteam, so berichtet die Ostfriesen-Zeitung am 07.03.2008, hat in einem umfassenden Modell der Ozean-Entwicklung dargestellt, dass langfristig mit einem Sinken des Meeresspiegels zu rechnen sei.
Während er vor 80 Millionen Jahren etwa 170 m höher gelegen habe, müsse für die gleichen Millionen Jahre in der Zukunft mit einem Sinken um etwa 120 m gerechnet werden. Die britischen Inseln wären keine Inseln mehr, die Nordsee und das Kaspische Meer ausgetrocknet. Dann darf die Rheider Deichacht einen etwas geringeren Umfang ihrer Aufgaben erwarten, aber erst dann!